20060103

Der Europäische Betrachter

Der Europäische Betrachter ist eine online-Zeitschrift, die es sich zum Ziel gesetzt hat, auf öffentlicher Ebene über die kulturelle europäische Sphäre zu diskutieren.
Forscher und fachkundige Analytiker, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen, aus verschiedenen Sprachen und aus allen europäischen Ländern kommen, werden hier die kulturelle europäische Materie bearbeiten können, um den Gedanken eines neuen Europas zu verbreiten, eines Europas, das seine alten Gewissheiten hinter sich lässt und wieder neu ersteht.
Indem sie also Europa als einen ausgezeichneten Bestandteil unserer Zukunft betrachtet und als einen Faktor eines unendlichen Aufschwungs an sich und darüber hinaus mit anderen Ländern vereint, funktioniert diese Zeitschrift als Spiegel, worin sich das Europa, das im Begriff steht, sich zu entfalten, selbst wahrnehmen soll.
Europa widerzuspiegeln ist folglich die Aufgabe der Zeitschrift.
In diesem Sinne ist einer der zentralen Aspekte des aufzubauenden Europas für uns ganz bewusst weder wirtschaftlich-ökonomisch noch finanziell. Auf einen Aspekt können wir wirksam Einfluss ausüben, d.h. auf einen lebendigen öffentlichen Raum, der gleichzeitig Debatten und Kontroversen, Meinungsunterschiede und kollektive Projekte vereint.
Uns bewegen die Fragen: Wie kann man sich von dem Erbe der nationalen Mentalitäten lösen, die uns voneinander isolieren? Von den nationalen Identifizierungen, vom Primat einer Einheitssprache, die als identisch mit Kultur angesehen wird, von Klassifizierungen, die die Kulturen trennen und Auseinandersetzungen als Wettstreit austragen wollen?
Ein jeder sieht genau, woher diese Sackgassen und ihre Geschichte kommen. Die Nationen und Nationalismen wurden in Europa erfunden. Umso mehr muss man betonen, wie wichtig es ist, diese Mängel nicht auf eine andere Ebene zu verlagern, vor allem nicht auf die Ebene eines gemeinsamen Europas.
Zum Beispiel, indem man sich paradoxerweise von den Fehlern lösen will und jegliche kulturelle Angelegenheit auf eine so genannte einheitliche kommerzielle Formel oder eine Einheitssprache, die überall durchgeht, zurückführt.
Oder indem man Europa von neuem in erstarrte Grenzen einschließt.
Entgegen dieser Tendenz will diese online-Zeitschrift sowohl die Veröffentlichung der Probleme und Perspektiven unterstützen als auch die Anerkennung dessen, was hier und da vollbracht wird, um den engen nationalen Rahmen zu sprengen.
Alles in allem zielt diese online-Zeitschrift auf den Abbau der identitären Trennungen (aber auch auf die Öffnung fachlicher Grenzen, zu Gunsten einer unzweideutigen Transdisziplinarität). In einigen Fällen handelt es sich übrigens einfach darum, die gleiche Kultur anders zu betrachten, aus einem anderen Blickwinkel.
Kurz und gut, der Europäische Betrachter ist vor allem bemüht, ein Verständnis der europäischen Kultur zu fördern, das gleichzeitig Grenzen überschreitet.
Für uns, die wir den Europäischen Betrachter schaffen, ist die europäische Kultur keineswegs eine Sache der Identität, der Herkunft oder der Gleichartigkeit. Wir lehnen diese, in unseren Augen todbringenden Hypothesen in jeder Hinsicht ab.
Die europäische Kultur existiert nicht in Form eines Bodens, eines Fundaments, eines Gebietes, eines Ortes, einer Ansammlung von Quellen oder gar einer Vergangenheit, die wir heiligen müssten.
Die europäische Kultur entspricht weniger den Worten, die man über sie verliert, als dem, was man mit ihr anfangen kann.
Die europäische Kultur kann sich nur prägen, indem sie die Europäer dazu drängt, sich miteinander zu vermischen, die Sprache des anderen zu erlernen, die Gemeinsamkeiten ihrer Kulturen kennen zu lernen, sich aneinander zu reiben, und dies nicht in Form einer Wortklauberei, sondern in Form einer ehrlichen Auseinandersetzung und Anerkennung.
Eine solche künftige Kultur kann man sich am Schnittpunkt aller kulturellen Tendenzen denken, aller Vorstellungen, die sich momentan bei all denen entwickeln, die sich von nationalen Schranken freimachen wollen. Und dieses, ohne dass die eine oder andere Sprache oder Kultur als wahrhaftes Modell für die anderen dienen soll.
Der Europäische Betrachter, der sich als Treffpunkt aller versteht, die am Aufbau einer europäischen Kultur mitwirken möchten, will die Interaktion von Bürgerinnen und Bürgern, von Forscherinnen und Forschern, von kulturellen Protagonisten aller Art fördern und somit ein Observatorium der europäischen Kultur schaffen.
Ein Observatorium, das darüber Bericht ablegt, was, von einem Volk zum anderen, gesagt oder gedacht wird. Und ein Observatorium, das die gemeinschaftliche Aktion begünstigt, indem es Archipel für Begegnungen schafft zwischen denen, die Europa zu einem Ort der theoretischen Schätze machen wollen und zu einem offenen Tor zur gesamten Welt.
Die europäische Kultur eines europäischen Volkes liegt natürlich noch in der Zukunft. Wir wollen uns in keiner Weise an die Stelle dieses Volkes setzen. Wir können weder im Namen eines existierenden Volkes sprechen noch im Namen eines europäischen Volkes, das sich bilden wird. Es kann sich also im Europäischen Betrachter nur darum handeln, ein Kollektiv zu gründen, das die Entstehung dieses Volkes anvisiert und ausspricht. Und selbst wenn wir nicht wissen, was oder wie dieses Volk sein wird, so können wir doch zumindest vorausahnen, dass es weniger darum geht, eine Gemeinschaft oder ein Zusammenleben zu definieren, als darum, eine Form künftigen Zusammenwachsens zu ermöglichen.
Der zentrale Begriff "Der Betrachter" ist im übrigen einer englischen Zeitung aus dem 18. Jahrhundert entnommen. Thomas Addison und Robert Steele hatten "The Spectator" gegründet, als Zeugen der britischen Aufklärung. Das Magazin wurde in Clubs, in Cafés und anderen Häusern verbreitet. Indem es sich an die Öffentlichkeit wandte, stellte es eine gewisse Verbindung zwischen Literatur und Journalismus her.
Aber darin sprachen nur die Engländer. In Frankreich hatte Marivaux den Titel übernommen, in "Le Spectateur français" abgewandelt, und er berichtete über die Sitten und über die Pariser Geselligkeit.
Der Europäische Betrachter will weiter gehen und gibt einem öffentlichen europäischen kulturellen Raum das Motto: Interaktion, Übersetzung, Verwandlung