20090306

Georg Simmel

Georg Simmel : Die Idee Europas.
(1915)
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Il est intéressant de relire, dans la langue originelle, ce texte du sociologue Georg Simmel qui, au cours de la I° Guerre mondiale, s’exprime autour de la notion d’Europe, et ne cesse de rappeler que cette Idée peut représenter un fil conducteur pour la paix. De quoi doit donc être tissée la conscience européenne des habitants de cette contrée ? D’abord de l’ambition d’une entente spirituelle.
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It is interesting to re-read in the original language and with a modern perspective this text by sociologist Georg Simmel. During World War I, he elaborated on the notion of a unified Europe as guiding principle for peace. What should compose the European consciousness of this new land’s inhabitants? First and foremost, the ambition of spiritual agreement.
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Toνίζουμε το ενδιαφέρον μας σχετικά με την ανάγνωση του κειμένου του κοινωνιολόγου Georg Simmel στην αρχική του μορφή.Κατά την διάρκεια του 1ου Παγκόσμιου πολέμου εκφράζεται πάνω στην έννοια της Ευρώπης και υπενθυμίζει πως αυτή η ιδέα είναι το νήμα που οδηγεί στην ελευθερία.Απο τι πρέπει να αποτελείται πλέον η ευρωπαϊκή συνείδηση των ανθρώπων αυτού του τόπου εάν δεν είναι πρώτα απ’όλα η φιλοδοξία μιάς πνευματικής αντίληψης;
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Dieses ideelle « Europa » ist der Ort geistiger Werte, die der heutige Kulturmensch verehrt und gewinnt, wenn ihm sein nationales Wesen zwar ein unverlierbarer Besitz, aber keine blindmachende Enge ist.
Darum gehören Goethe und Beethoven, Schopenhauer und Nietzsche, so deutsch sie bis zum Grunde sind, doch zu den Schöpfern von « Europa ».
Diese Idee Europa, die feinsten Säfte des geistig Gewachsenen in sich einziehend, ohne es doch seinen heimischen Wurzeln zu entreißen, wie der Internationalismus es tut, ist nicht logisch oder mit bestimmten Inhalten festzulegen; wie die anderen « Ideen » ist sie nicht mit Greifbarkeiten zu erweisen, sondern nur in einer Intuition zu erleben, die freilich erst der Lohn langer Bemühungen um die Kulturwerte der Vergangenheit und der Gegenwart ist.
Dennoch, die überhistorische Höhe, in der metaphysische und künstlerische, religiöse und wissenschaftliche Ideen ihre Unangreifbarkeit finden, begrenzt nicht die Idee Europa.
Sie ist, was man eine historische Idee nennen könnte, ein geistiges Gebilde, das zwar über dem Leben steht, aus dem es sich erhoben hat, aber ihm doch verbunden bleibt und aus ihm seine Bedeutung und Kraft gewinnt.
Gewiss ist die Idee Europa, diese einzigartige Färbung eines Komplexes geistiger Güter, charakteristisch gesondert von der des griechisch-römischen Geistes im Altertum und der katholischen Weltidee des Mittelalters - gewiss ist sie unsterblich: aber sie ist verwundbar.
Gewiss kann sie nicht überhaupt verschwinden - aber sie kann unsichtbar werden, wie der Komet des letzten Sommers, der auch nicht aus der Welt verschwindet, aber vielleicht erst wiederkehrt, wenn wir alle längst verschollen sind.
Die Idee der Wahrheit verliert nichts an ihrem Bestand und ihrer Leuchtkraft, auch wenn wir alle irren, die Idee Gottes berührt es nicht, dass die Welt ihn nicht erkennt oder von ihm abfällt; aber die Idee Europa ist mit dem auf sie konvergierenden Bewusstsein europäischer Menschen in wunderbarer Weise verbunden, wie das Schiff mit dem Gewässer, das es trägt und mit dessen Austrocknen es zwar immer noch dieses Schiff bliebe, aber seinen Sinn, Güter und Werte in sich zu bergen und von Ort zu Ort zu tragen, verloren hätte.
Es genügt nicht, dass die Idee Europa nicht sterben kann : sie soll auch leben.
Und es ist männlicher, sich einzugestehen, dass sie das für absehbare Zeit nicht wird; und diese Einsicht wird vor allem der schmerzlichen Enttäuschung gewisser vager Hoffnungen vorbeugen, die schon hier und da in der heutigen Literatur auftauchen.
Zu weit hat der europäische Hass die Geister getrennt, zu entschieden sind die Sympathien auch der Neutralen parteimäßig aufgeteilt, als dass sie die Zuflucht der Idee Europa sein könnten; zu misstrauisch und voneinander enttäuscht wird - davon sind wir wohl alle überzeugt - der Krieg auch unsere Gegner zurücklassen: der gemeinsame Hass gegen uns, der sie jetzt notdürftig und widernatürlich zusammenschweißt, wird nach Lösung dieser Spannung auf sie selbst, zwischen sie selbst zurückfluten.
Nein, die Glieder des Körpers, dessen Seele jene Idee war, sind so voneinander gerissen, dass er auf Gott weiß wie lange nicht mehr ihr Träger sein kann.
Europa hat den Begriff des »guten Europäers« verspielt, an dem wir Älteren, gebend und nehmend, teilzuhaben glaubten, sicher, dadurch in keiner Weise international, kosmopolitisch - oder wie all die wohlklingenden Übertäubungen der Entwurzeltheit heißen - zu werden, sondern gerade dadurch im Tiefsten deutschen Wesens zu sein.
Denn wie es das Wesen des Lebens ist, über das Leben hinauszugreifen, wie der Geist am vollsten er selbst ist, wenn er das berührt, was mehr als Geist ist - so scheint das Sichstrecken über das Deutschtum hinaus gerade zum Wesen des Deutschtums selbst zu gehören.
Gewiss sind uns daraus unzählige Gefahren, Ablenkungen und Einbußen gekommen: so mancher deutsche Baum ist verdorrt, weil man seine Wurzeln aus dem heimatlichen Boden herausgrub, aus Besorgnis, sein Wipfel möchte sonst nicht nach »Europa« hineinragen.
Jedoch diese Selbstmissverständnisse sollen uns nicht darüber täuschen, dass die europäische Sehnsucht dennoch aus der echten Wurzeltiefe der deutschen Seele stammt.
Gerade hierin liegt aber unser Trost, wenn nun auch die Idee Europa in unseren Verlustlisten steht und von ihr nur dasselbe, was von all den geliebten Namen in diesen bleibt: Erinnerung und Mahnung.
Die Idee Deutschland wird die Universalerbin der Kräfte, die nach jener sich hinstreckten, wie von so manchen anderen, die unser früheres Leben sich in zu große Enge oder in zu große Weite verlaufen ließen, und die nun in ihre Quelle zurückgeleitet werden, um von neuem aus ihr zu entspringen.
Aber eben weil wir wissen, dass das Europäertum kein äußeres Hinzufügsel zum Deutschtum war, dass dieses Übersichhinausleben seinem innersten, eigensten Leben angehörte - darum wissen wir, dass das in seinen eigenen Grenzen erstarkte, in sich immer echter gewordene Deutschtum an einem fernen Tage der Idee Europa ein neues Leben, mächtiger und weiter wohl als alles frühere, geben und sie an ihre Unsterblichkeit erinnern wird.
Es ist, wie wenn einem Sohn sich sein Haus verschließt, vielleicht in Entzweiung und Bitterkeit; nun scheidet sich, was von seinem Wesen dorther kam und dorthin ging, von dem, was er wirklich allein ist, und auf dessen Energie und Wachstum seine Zukunft steht.
Einmal aber kommt der Tag, an dem Versöhnung die Türen wieder öffnet und an dem er mit einem Reichtum zurückkehrt, wie nur die auf sich selbst angewiesene Kraft ihn gewinnen konnte; und die wiedererwachte Stimme des Blutes sagt ihm und den anderen, dass, was er in der Getrenntheit und nur für sich erarbeitete, von seiner tiefsten Quelle her dazu bestimmt war, in die alte, neuerstandene Gemeinsamkeit zu münden.